Kopf aus, Bauch an – ein Plädoyer für das Bauchgefühl

Seit über 8 Jahren steht es jetzt auf einer Tafel bei unserer Gästetoilette. Wie eine Postkarte oder ein Kalenderspruch mahnt es mich zur Achtsamkeit. Es ist vor vielen Jahren wie ein Mantra für mich geworden:
Inhaltsverzeichnis

„Kopf aus, Bauch an“

Ich kenne viele Frauen, die eine sehr lieblose Beziehung zu ihrem Bauch pflegen. Zu weich, zu groß, zu wabbelig, zu viel Hüftspeck, Dehnungsstreifen, Cellulite und noch vieles mehr.

Ich mochte meinen Bauch auch sehr, sehr lange gar nicht. Anatomisch schon war ich Kilometer von einem Waschbrett entfernt, ich war immer eher Typ „Daunendecke“.

Und auch das viel gepriesene Bauchgefühl bescherte mir als Studentin reihenweise Tränenausbrüche, tagelange Grübeleien oder nächtliche Gesprächstherapien mit der besten Freundin. Die Schmetterlinge wollten nämlich immer nur kurz bei mir verweilen.

Von daher war mein Bauch mehr geduldet als geliebt, war er doch an so manchen Dramen maßgeblich beteiligt.

Der Bauch – unser zweites Gehirn

Wenn wir vom Bauch sprechen, dann meinen wir oft unseren Darm, der Hand in Hand mit unserem Kopf erstaunliches für uns leistet.

Das Gehirn ist evolutionsbiologisch aus dem Darm entstanden … ja, ja, ich kenne den Spruch: „Dann ist es ja kein Wunder, was manche für Sch… denken!“

Tatsächlich ist es so, dass wir im Darm ein zweites Nervensystem haben, das über die gleichen Botenstoffe kommuniziert wie das Gehirn. Deshalb wirken manche Arzneistoffe wie zum Beispiel starke Schmerzmittel nicht nur in unserem Schmerzzentrum, sondern auch im Darm. Und umgekehrt werden Glückshormone wie das Serotonin im Darm gebildet und wirken im Gehirn stimmungsaufhellend.

Da unser Verdauungssystem täglich mehrmals über den Mund mit der Außenwelt Kontakt hat und so vieles in unseren Körper gelangt, was teilweise auch schädlich sein kann, gibt es im Darm unzählige Messstationen, die Daten ans Gehirn liefern.

Vom Darm laufen also Datenautobahnen zum Gehirn, wobei das Gehirn eher über eine kleine Landstraße mit dem Darm verbunden ist. Unser Darm kann nämlich autark arbeiten, er braucht das Gehirn nicht, um hervorragende Verdauungsleistungen zu erbringen. Das Gehirn allerdings ist auf die Infos vom Bauch angewiesen.

Da frag Dich mal, wer der wahre Boss im Körper ist…

Das Gehirn hat sozusagen eine Notleitung zum Darm, die nur aktiviert wird, wenn Gefahr droht. Ursprünglich mal für den Kontakt mit Säbelzahntiger oder Mammut. Die Blutzufuhr wird gedrosselt, weil die Muskeln und das Herz bei Flucht und Kampf Priorität haben, die Verdauung pausiert.

Stress, der Killer der Neuzeit, löst einen ähnlichen Mechanismus aus, nur dass wir es nicht mit einem kurzzeitigen Ereignis zu tun haben, sondern leider vielmals mit einem Dauerzustand, was die zahlreichen Darmprobleme vieler Menschen erklärt.

Denn nein, es ist nicht normal, längerfristig Verstopfung oder Durchfall zu haben, unter Blähungen zu leiden oder immer wiederkehrende Krämpfe aushalten zu müssen. Unser Darm arbeitet unter günstigen Voraussetzungen  zuverlässig und wie ein Uhrwerk – nur leben wir leider heute nicht mehr artgerecht.

Der Bauch – der Übersetzer Deiner Emotionen

Durch die anatomische Verbindung zwischen Kopf und Bauch wundert es nicht mehr, dass der Darm Deine Emotionen hervorragend spiegelt.

Ich habe Schmetterlinge im Bauch.

Ich habe Schiss.

In mir rumort es.

Der Darm präsentiert Dir Deine Emotionen auf dem körperlichen Silbertablett. Nicht umsonst steht der Darm für das Thema „Grenzen setzen“. Alle meine Herzenskundinnen, die unter dem Reizdarmsyndrom leiden, haben große Probleme sich abzugrenzen und auch eine Überschreitung ihrer eigenen Grenzen abzuwehren.

Menschen mit chronischen Darmproblemen sind oftmals mehr Kopf als Bauch, manchmal sogar nur Kopf. Jahrelang verdrängte und unterdrückte Gefühle zeigen sich dann in Verdauungsstörungen und massiven Symptomen.

Aber wie mache ich das denn nun…den Bauch mehr miteinzubeziehen?

Der Verstand ist immer schneller. Gilt es eine Entscheidung zu treffen, bämm, der Kopf hat schon eine Antwort, die lauthals jedes Bauchgefühl erstmal übertönt.

Das hat auch seinen Sinn, denn Entscheidungen bedeuten immer, eine mögliche Gefahr abzuwenden. Aus evolutionsbiologischer Sicht. Der Kopf ist deshalb blitzschnell. Erfahrungen, Erlebnisse, Ereignisse helfen dem Gehirn bei seiner Wahl.

Der erste Schritt ist also, diese Leitung unseres Verstandes erstmal anzuerkennen.

Ja, danke, lieb von Dir, dass Du mich schützen willst.

Diese Würdigung ist wichtig, denn sonst gibt der Papagei in Deinem Kopf keine Ruhe.

Aber um Deinen Bauch zu hören, kannst Du das Geschrei vom Verstand nicht gebrauchen.

Intuition: Übungen für Dich

Lege jetzt sanft eine Hand auf Deinen Bauch, atme drei Mal tief ein und aus und frage Deinen Bauch, was er fühlt.

Das Vertrauen auf die Intuition, das Bauchgefühl ist erlernbar. Auch für Hardcore-Kopfmenschen.

Übung macht den Meister

Wann nimmst Du Deine Intuition am stärksten wahr? Häufig in der Ruhe, die uns nur leider im Alltag eher fehlt. Unser Darm ist eng mit dem Parasympathikus, dem Teil des vegetativen Nervensystems, das für Entspannung steht, verbunden.

Wie kannst Du den Vagusnerv, den 10. Hirnnerv und längsten Nerv des Parasympathikus aktivieren?

Am schnellsten und einfachsten über das richtige Atmen. 3 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen. Das ist überall machbar, ohne dass man zum Clown seines Umfeldes wird. Es gibt noch effektivere Atemtechniken, wie zum Beispiel die Bienenatmung aus dem Yoga oder auch komplexere Breath-Workouts.

Du kannst über den Duft des Lavendels Dein Ruhesystem nachhaltig aktivieren. Entweder zerstäubt im Diffusor oder aber durch Auftragen des ätherischen Öls an Schläfen, Nacken, Handgelenke und Solar Plexus.

Und in der Praxis? Überlasse doch mal in nächster Zeit in scheinbar unbedeutenden Situationen dem Bauch die Entscheidung. Wähle intuitiv die nächste Spazierrunde, das passende ätherische Öl, die Beilage für das Mittagessen, das Getränk im Restaurant.

Du nimmst so mit der Zeit Dein Bauchgefühl immer besser wahr und erkennst, dass Deine Intuition durchaus ein guter Ratgeber sein kann.

Ziel sollte sein, dass Du beide zu Wort kommen lässt – Kopf und Bauch. Wer sich dann schlussendlich durchsetzt, das ist Deine persönliche Entscheidung.

Ich für mich höre die Argumente meines Verstandes, aber mein Bauch hat deutlich mehr Gewicht. Gerade in den letzten Jahren wurde mir nachträglich oftmals klar, dass es ein Fehler war gegen mein Gefühl zu entscheiden. Einige dieser Triumphe des Verstandes habe ich teuer bezahlt.

Ich bin also ein wahrer Bauch-Fan, was bei mir als spirituelle Apothekerin mit dem Schwerpunkt chronische Darmerkrankungen ja auch kein Wunder ist. Aber auch mit meinem eigenen Bauch habe ich Frieden geschlossen, da er vier wunderbare Töchter auf Zeit beherbergt hat, wofür ich ihm unendlich dankbar bin.

Wie geht es Dir mit Deinem Bauchgefühl?

Herzliche Grüße,

Deine Ann-Katrin

Foto: Canva

Alle Aussagen und Empfehlungen in diesem Artikel sind sorgfältig recherchiert und für gesunde Frauen gedacht. Unsere Beiträge bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat und es wird keine Haftung übernommen. Auf jeden Fall solltest Du Dich in deinen Wechseljahren regelmäßig mit deinem Gynäkologen besprechen, gegebenenfalls auch mit Endokrinologen und Heilpraktiker.

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