Kennst Du das auch?
Eine Freundin, die Du seit Monaten nicht mehr gesehen hast, ist richtig schlank geworden. Natürlich willst Du wissen, wie sie das gemacht hat: die XYZ Diät hat den Erfolg gebracht. Dann hörst Du von einer Nachbarin, die ebenfalls so eine Freundin hat. Du bist angefixt, googelst diese Diät, befolgst sie Buchstabengetreu – und nimmst zu.
Kann das denn sein?
Natürlich! Die Freundin ist einige Jahre jünger als Du, hat einen ganz anderen Tagesablauf und andere Vorlieben. Du würdest ja auch nicht die Garderobe mit ihr teilen und erwarten, dass Dir alle Kleidungsstücke passen. Also vor ihrer Diät….
Was geht hier vor?
Sagen unsere Gene, was wir essen können?
Es wird mir wohl keiner widersprechen, wenn ich schreibe, dass jeder Mensch einzigartig ist. Obwohl sich die Menschen genetisch zu fast 99,7 Prozent gleichen, funktioniert der Organismus jedes Einzelnen anders.
Verantwortlich dafür sind jene gut 0,3 Prozent des Erbguts, die sich von Individuum zu Individuum unterscheiden und die auch dafür verantwortlich sind, dass es so eine große Vielfalt unter den Menschen gibt.
Auch wenn Wissenschaftler inzwischen das Genom (Erbgut) gut erforscht und zum größten Teil entschlüsselt haben, gibt es noch viele unbekannte Variablen. Dazu später mehr.
Wie sinnvoll sind Gentests?
In den letzten Jahren haben wir immer mehr über Gene gelernt und wissen, dass sie einen großen Einfluss darauf haben, wie ein Mensch Nährstoffe verwertet. Eine neue Forschungsdisziplin hat sich gebildet: die Nutrigenetik. Das Ziel: per Gentest maßgeschneiderte Ernährungspläne zu entwickeln. Aber noch sind wir nicht so weit.
Es gibt in der Zwischenzeit Firmen, die solche Gentests für durchschnittlich 189 € anbieten. Der Nutzen dieser Tests wird aber von Fachleuten in Frage gestellt.
Für den Test wird eine Speichelprobe entnommen und nach 2-3 Wochen erhält man eine Analyse. Aber für den Test werden nur etwa 23 von rund 1000 SNiPs (single nucleotide polymorphisms) untersucht. SNiPs sind die Elemente auf der DNA, die für Variationen verantwortlich sind.
Achtung, jetzt wird es wissenschaftlich
An der TU München laufen spannende Studien zu diesem Thema. Ziel der Studien ist es,
Parameter zu identifizieren, die erklären, warum manche Menschen gut abnehmen können, andere nicht.
Speichel, Urin, Mikrobiom und Blut wurden untersucht, und die besondere Aufmerksamkeit liegt auf der DNA-Analyse.
Erste Erkenntnisse zur Verträglichkeit bestimmter Lebensmittel wurden bereits entdeckt.
- Beispiel Kaffee: CYP1A2 reguliert ein Leberenzym, das hilft Koffein abzubauen. Ist dieses Leberenzym zu niedrig, bekommen wir einen Herzkasper nach Koffeingenuss. Wir vertragen Kaffee schlechter, was gerade in den Wechseljahren zu Herzrasen, Angstzuständen und Hitzewallungen führen kann.
- Das Aldolase B Gen ist für Fruktose Unverträglichkeit. Das heißt, wenn Du darunter leidest und Obst isst, kann es zu Durchfällen und Blähbauch kommen.
- Die Gene ADH1B und ALDH2 bestimmen, wie gut man Alkohol verträgt. Aber selbst, wenn Du in jungen Jahren Deine männlichen Freunde unter den Tisch trinken konntest, ist das in den Wechseljahren keine gute Idee mehr: Stichwort „Brainfog“ – mit Alkohol verschlimmerst Du nicht nur den Nebel im Kopf, sondern so ziemlich alle anderen Wechseljahresbeschwerden.
Die Hoffnung der Wissenschaftler war groß, Gene für Übergewicht zu identifizieren und bei einigen Genen ist dies gelungen. Aber die entscheidenden Varianten innerhalb dieser Gene sind noch nicht erforscht.
Die DNA besteht aus Basenpaaren (Adenin, Thymin und Guanin, Cytosin). Bei etwa 1 aus 1000 Paaren sind die Basen ausgetauscht. Diese Auffälligkeiten werden als SNiPs (single nucleotide polymorphisms) bezeichnet. SNiPs können Krankheiten beeinflussen, aber auch definieren, ob überschüssige Kalorien eher als Fett abgespeichert werden oder als Energie verbrannt werden. Nach heutigem Stand stehen mehrere hundert SNiPs mit dem Körpergewicht in Verbindung.
Aber diese SNiPs sind für maximal 3 kg verantwortlich. Menschen mit Varianten im FTO Gen, die eher Kalorien speichern, können ihr Risiko durch Sport und Bewegung einfach reduzieren. Oder sich mit dem Gedanken trösten, dass sie eine echte Hungersnot besser überstehen können….
Was sind die Bedenken bei Gentests?
Wenn bei den heute kommerziell erhältlichen Gentests nur etwa 23 der rund 1000 möglichen SNiPs untersucht werden, ist eigentlich klar, dass dies kein vollständiges Bild ergibt.
Die entsprechenden Ernährungsempfehlungen, die aufgrund der Analyse erstellt werden, sind zwar sehr umfangreich, aber so vorsichtig formuliert, dass man dafür keine Genanalyse benötigt hätte.
Man kann zwar die persönliche Beratung bei einigen Herstellern für rund 200 € hinzubuchen, das läuft aber wieder auf eine ganz normale Ernährungsberatung raus. Und die ist, in der Regel, immer ganz persönlich auf den Kunden abgestimmt. Meiner Meinung nach fehlen bei diesen Beratungen wichtige Aspekte, nämlich der Tagesablauf, die persönlichen Vorlieben und mehr. Allerdings haben wir bisher erst einige der Anbieter getestet.
Selbst wenn man sich bewusst ist, dass die Gentests nur wenige kleine Puzzleteilchen betrachten, raten die Verbraucherzentralen zur Vorsicht. Es drängen immer mehr Anbieter auf den (lukrativen) Markt und nicht immer ist bei Vertragsabschluss klar, wo der Sitz der Firma ist.
Ein großes Problem sehe ich im Datenschutz:
- Welcher Missbrauch kann mit der Information betrieben werden? Stelle Dir vor, Du willst eine Versicherung abschließen und Du wirst abgelehnt, weil ein bestimmtes Gen zu einer Krankheit führen kann?
- Wie lange werden die Proben aufgehoben und was wird man in Zukunft alles untersuchen können? Heute können zum Beispiel Verbrechen aufgeklärt werden, die begangen wurden, bevor es DNA-Analysen gab. Wenn Du also alte Leichen im Keller hast, bist Du nicht auf der sicheren Seite.
- Wie lange bleiben die Daten gespeichert?
- Mit wem könnten diese Daten geteilt werden?
- Wie kann ich sicherstellen, dass diese Daten auch tatsächlich gelöscht werden?
Diese Bedenken werden natürlich die Forschung nicht aufhalten können und schon heute hat man viele Erkenntnisse, warum unterschiedliche Nahrungsmittel so unterschiedlich wirken.
Worum geht es bei „Personalisierter Ernährung“?
Jeder/jede reagiert unterschiedlich auf die verschiedenen Nahrungsmittel.
Was aber bei allen gleich ist: starke Blutzuckerschwankungen begünstigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Blutzuckerschwankungen sind letztendlich das Resultat unserer Ernährung, beziehungsweise wie stark die Insulinausschüttung nach einer Mahlzeit ist.
Gerade wenn über einen längeren Zeitraum die Ernährung nicht so gesund ist, kommt es zu Störungen.
Einfache Kohlenhydrate wie Haushaltszucker und Weißmehl, aber auch andere stark bearbeitete Nahrungsmittel, lassen den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen. Die Bauchspeicheldrüse versucht, den Blutzuckerspiegel wieder in den Normbereich zu regulieren, wird aber dauerhaft überstrapaziert.
Durch die ständige Aufnahme von Einfachzuckern reagiert der Körper weniger empfindlich gegenüber dem Insulin, und das ist erst der Beginn eines Teufelskreises. Es muss immer mehr Insulin ausgeschüttet werden, um den Zucker in die Zellen zu bringen. Das heißt auch, dass der Blutzuckerwert die meiste Zeit erhöht ist.
Erhöhte Blutzuckerwerte wiederum führen zu Übergewicht und können Diabetes mellitus Typ 2 auslösen.
Die Lösung wäre also einfach eine Ernährungsumstellung, kein Industriezucker, keine Schokolade, kein Kuchen, alles gut. Die starken Blutzuckerschwankungen würden ausbleiben, sollte man meinen…
Aber so einfach ist es nicht.
Was kaum bekannt ist: bei jedem Menschen sind es andere Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel nach oben treiben. Nicht nur das.
Wir essen ja in der Regel nicht einzelne Nahrungsmittel, sondern Mahlzeiten mit mehreren Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett).
Und hier haben Forscher jetzt eine weitere überraschende Beobachtung gemacht:
Jeder reagiert anders auf die einfachen Kohlenhydrate, je nachdem, ob diese mit Fett oder mit Eiweiß kombiniert werden.
Eine israelische Studie stolperte auch über die erheblichen Unterschiede und untersuchte, neben anderen Parametern, auch die DNA. Die Forscher fanden heraus, dass die Gene eine eher untergeordnete Rolle spielten.
Es ist das Mikrobiom, das einen noch größeren Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hat. Durch welchen Mechanismus dies geschieht, ist noch unbekannt, daher ließen Forscher der Studie einen Algorithmus bestimmte Faktoren ermitteln.
Im Augenblick wird KI (Künstliche Intelligenz) benutzt, um basierend auf den Faktoren praktikable Lösungen zu ermitteln, bis die Forschung das genauer bestimmen kann. So ganz nach dem Motto: ich habe zwar keine Ahnung, warum das funktioniert, aber es funktioniert. Bei Diabetikern, die an der Studie teilnahmen, konnte der Zustand erheblich verbessert werden. Trotzdem ist das für einen Wissenschaftler eine recht unbefriedigende Situation und es wird mit Hochdruck weitergeforscht.
Das Mikrobiom, also unsere Darmflora hält wohl noch einige Überraschungen bereit. Wir sprechen hier über 40 Billionen Mikroorganismen, überwiegend Bakterien, und zwar 1000 verschiedene Arten.
Auch darüber könnte ich jetzt ein ganzes Buch schreiben und würde doch nur an der Oberfläche kratzen: seriöse Wissenschaftler bestätigen immer wieder, dass wir erst am Anfang der Forschung stehen und unser „Bauchgehirn“ wohl noch recht viele Rätsel hat.
Unser Mikrobiom ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck und daher bei jedem Menschen unterschiedlich, mit (noch) ganz vielen Unbekannten. Was wir aber wissen: Ernährung und Medikamente (Antibiotika!) haben einen großen Einfluss.
Der GLYX-Faktor – ist das der neue Wegweiser?
In diesem Zusammenhang kommt immer wieder der GLYX-Faktor ins Gespräch.
GLYX steht für „Glykämischer Index“ und beschreibt, wie hoch und schnell der Blutzuckerspiegel innerhalb von 2 Stunden nach Verzehr eines kohlenhydrathaltigen Nahrungsmittels ansteigt. Als Referenz dienen hier 50 Gramm Glukose. Der Index ist auf 100% festgelegt.
- Über 70% hoch
- 50% – 70% mittel
- Unter 50% niedrig.
Aber jeder Mensch verstoffwechselt anders, daher kann der Glyx-Wert nur ein Anhaltspunkt sein.
Außerdem kommt hinzu, dass man selten ein einzelnes Nahrungsmittel isst. Wie ich oben schon geschrieben habe, macht es einen Unterschied, sobald ich Fett oder Protein mit den Kohlenhydraten esse.
Daher ist es unseriös zu behaupten, dass man ganz leicht das Gewicht unter Kontrolle bekommt, wenn man nur auf den Glyx-Faktor achtet.
Auf den Blutzuckerspiegel sollte man allerdings auch aus einem anderen Grund noch achten. Ein Blutzuckerspiegel, der „abstürzt“ kann Migräneattacken auslösen. Wenn der Blutzuckerspiegel durch die Ernährung in die Höhe schießt, und durch eine hohe Insulinausschüttung schnell unter den Ursprungswert abstürzt, ist das für den Körper ein Alarmsignal. Dem Gehirn wird ein Energiemangel vorgespielt und Schmerz wird ausgelöst. Das zwingt die Patientin jetzt zur Ruhe, um möglichst wenig Energie zu „verschwenden“. Wirklich perfide, aber vielleicht ein Tipp an Migränepatientinnen, mal darauf zu achten, was vor einer Attacke gegessen wird.
Welche Schlüsse können wir daraus ziehen?
Es ist eigentlich logisch, dass ich keine starren Ernährungspläne befolgen muss oder irgendwelche Richtlinien, die vielleicht für andere Frauen zutreffend sind.
Es gibt auch nicht eine Ernährungsform, die bis in alle Ewigkeit für Dich passend ist.
Spätestens mit Einsetzen der Wechseljahre wird uns ja nur zu deutlich bewusst, dass der Körper sich ändert. Damit sollte auch unsere Ernährung angepasst werden. Im letzten Jahr hatte ich bereits darüber geschrieben, warum wir zunehmen, und wie sich die Körperzusammensetzung ändert.
Wenn ich mein Gewicht unter Kontrolle halten möchte, muss ich die Energieaufnahme anpassen. Wenn ich bis ins hohe Alter fit und leistungsfähig bleiben will, sind neben der Ernährung auch Bewegung und Muskeltraining ein Muss.
Aber schauen wir uns die Details an:
Insgesamt Kaloriendefizit
Wenn ich Gewicht halten will oder abnehmen möchte, muss ich die Tageskalorien entsprechend anpassen. Aber der Energiebedarf geht im Laufe der Jahre zurück und mit Einsetzen der Wechseljahre und Ausbleiben des Eisprunges können das bis zu 500 Kalorien weniger (pro Tag!) sein.
Das macht es natürlich auch schwieriger, a) alle Mikronährstoffe abzudecken und b) satt zu werden.
Da kommt dann der stabile Blutzuckerspiegel ins Spiel: je stabiler der Blutzucker ist, desto besser fühlen wir uns und sind länger satt.
Makromix
Hier kann mit dem optimalen Mix der Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Protein, Fett) viel erreicht werden. Bei den Kohlenhydraten macht es einen großen Unterschied, ob wir zu einfachen Kohlenhydraten (Zucker, Weißmehl) greifen oder eher komplexe Kohlenhydrate (Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte) auf dem Speiseplan stehen.
Gerade ab den Wechseljahren sollten wir aber auch auf ausreichend Protein achten. Je nachdem, wie aktiv wir körperlich sind, darf der Eiweißanteil in der Ernährung zwischen 30 % und 50 % liegen. Dabei spielt es nicht die größte Rolle, ob das Protein aus pflanzlichen oder tierischen Quellen stammt.
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Darmgesundheit
ist ein ganz entscheidender und wichtiger Faktor, mit noch vielen Unbekannten. Was aber bekannt ist: Zucker, besonders der zugesetzte Industriezucker, ernährt die ungesunden Darmbakterien. Wenn ich dann noch ballaststoffarm esse, also viele hoch verarbeitete Nahrungsmittel, verschlimmert das die Situation. Es kommt zur Dysbiose, mit allen möglichen unangenehmen Folgen: Verstopfung, Blähungen, bis hin zu entzündlichen Prozessen im Körper.
Was ganz besonders schädlich ist für eine gesunde Darmflora: Antibiotika. Daher solltest Du da immer genau nachfragen, ob die wirklich notwendig sind.
Fazit
Personalisierte Ernährung ist eigentlich ganz einfach, wenn wir auf unseren Körper hören. Es ist aber gleichzeitig sehr komplex, eben weil wir ja verstehen wollen, warum unser Körper so reagiert, wie er reagiert.
Es gibt viele sehr gute Ansätze und wir werden wohl in Zukunft noch mehr darüber lernen.
Allerdings wird es wohl niemals eine „Abkürzung“ oder irgendwelche Hacks geben.
Du selbst wirst immer die Verantwortung für Deinen Körper tragen und solltest Dich daher auch damit auseinandersetzen: Jede Frau sollte verstehen, wie der Körper funktioniert, wie wir ihn durch Ernährung, Bewegung und Stressreduzierung gesund und schlank erhalten können und damit auch die Zeit nach den Wechseljahren voll genießen können.
Ich hoffe, ich konnte Dir heute einige Anregungen geben, worauf Du achten solltest. Schaue Dir auch gerne dieses Video im LEMONDAYS Kanal an.
Alles Liebe,
Deine Heike
Foto: Pixabay